Die Lokiarchaeota (deutsch: Lokiarchaeen) sind eine systematische Gruppe von Mikroorganismen im taxonomischen Rang eines Stammes, die der Domäne der Archaeen zugeordnet wird. Die Errichtung des Taxons im Jahr 2015 fußte vor allem auf molekulargenetischen Daten.
Obgleich die Lokiarchaeen Prokaryoten sind, finden sich in ihnen einige Gene, welche bislang nur bei Tieren, Pflanzen, Pilzen und anderen Eukaryoten gefunden wurden, sogenannte eukaryotische Signaturgene. Die Lokiarchaeen werden daher auch als eine Art Missing Link zwischen Archaeen und Eukaryoten diskutiert. Es sind jedoch weitere Untersuchungen nötig, um die Missing-Link-Hypothese zu festigen, beispielsweise der Nachweis eines dynamischen Zytoskeletts unter dem Mikroskop.
Das organische Material, in dem die spezielle genetische Signatur der Lokiarcheen identifiziert wurde, stammt aus Proben von marinen Sedimenten, die in einem Geothermalgebiet in der arktischen Tiefsee zwischen Nordwesteuropa und Grönland entnommen wurden. Dieses Geothermalgebiet wurde wegen der bizarren Formen der Schlote seiner Schwarzen Raucher von seinen Entdeckern „Lokis Schloss“ (englisch Loki’s Castle) genannt. Der Name „Lokiarchaeota“ nimmt zudem darauf Bezug, dass die Lokiarchaeen ihre Zellform ändern können und der nordische Gott Loki, der Sage nach, ein Formwandler war.[1]
„Lokis Schloss“ (73,55° N, 8,15° O) ist ein Geothermalgebiet in einer vulkanisch aktiven Tiefseeregion, in dem sich Schlote aus sulfidischen Mineralen über heißen Quellen, sogenannten Schwarzen Rauchern, gebildet haben. Es befindet sich in rund 2300 m Tiefe in der Übergangsregion vom Nordatlantik in den Arktischen Ozean auf dem Mittelozeanischen Rücken zwischen Grönland und Skandinavien (Übergang vom Mohn-Rücken in den Knipowitsch-Rücken).[4]
Im Jahr 2010 wurden dort Sedimentproben entnommen, deren metagenomische Analyse durch Teams aus Bergen, Uppsala in der Arbeitsgruppe von Christa Scheper an der Universität Wien[5] eine Fülle von Hinweisen auf bis dahin unbekannte Archaeen lieferte.[6][7] Dazu gehörte Lokiarchaeum, das bislang noch nicht im Labor in Reinkultur gezüchtet werden konnte.[8] Wegen der niedrigen Zelldichte (Zellen pro Gramm Sediment) stammt die ermittelte DNA-Sequenz von Lokiarchaeum eher nicht von einer isolierten Zelle, sondern eher aus der Kombination von Genfragmenten mehrerer Individuen. Das gefundene Genom ist zu 92 % komplett und 1,4-fach redundant. Die Fragmente stammen von drei Spezies eines neuen Taxons[1] (siehe Abbildung unten).
Das Genom von Lokiarchaeum setzt sich aus 5381 Protein codierenden Genen zusammen. Davon passen 32 % nicht zu bekannten Proteinen, 26 % sind eng mit den Proteinen bekannter Archaeen verwandt und 29 % mit bakteriellen Proteinen. Diese Zusammensetzung spricht für Folgendes:
Ein kleiner, aber signifikanter Anteil der Gene (175 = 3,3 %) von Lokiarchaeum ähnelt stark den Genen von eukaryotischen Proteinen. Diese für Prokaryoten sehr ungewöhnlichen Gene stammen kaum aus Verunreinigungen der Proben, da sie stets von prokaryotischen Gensequenzen flankiert waren. Im Metagenom der Sedimentproben des thermophilen Biotops konnten wie erwartet keine Gene eukaryotischen Ursprungs entdeckt werden.[1] Proteine, die Lokiarchaeum mit Eukaryoten gemeinsam hat, sind bei letzteren Bestandteile des Cytoskeletts und dienen der Verformung der Zellmembran und der Zellform.[1][10][11] Anscheinend teilt Lokiarchaeum diese Fähigkeit.[1] Ein anderes gemeinsames Protein, nämlich Aktin, ist essenziell für die Phagocytose der Eukaryoten,[8][10] also der Fähigkeit der Organismen Partikel zu umfließen und in die Zelle aufzunehmen. Wenn sich bestätigt, dass auch Lokiarchaeen zur Phagocytose fähig sind, würde das gut erklären, wie es zur Symbiose von Archaeen und Bakterien kam. Lokiarchaeen oder enge Verwandte könnten Bakterien einverleibt und als Symbionten genutzt haben, welche sich dann nach der allgemein akzeptierten Endosymbiontentheorie zu Mitochondrien entwickelten.[1][12]
Eines der drei gefundenen Teilgenome (vgl. nebenstehende Abbildung) weist einen signifikant niedrigeren GC-Gehalt als die beiden anderen auf. Das bedeutet, dass sie einen unterschiedlichen Gehalt der DNA-Basen Guanin und Cytosin in ihrer DNA aufweisen. Dieser Unterschied kann nur aus einer erheblichen Menge an unterschiedlichen Punktmutationen der beiden Äste der Lokiarchaeota resultieren.
Die vergleichende Untersuchung der Genome von Lokiarchaeum und denen von bekannten Eukaryoten lässt stark vermuten, dass diese Organismen eine gemeinsame phylogenetische Vergangenheit und einen gemeinsamen monophyletischen Stammbaum haben.[1][13][14][15]
Das allgemein anerkannte Drei-Domänen-Modell von Carl Woese teilt alle zellulären Lebewesen ein in Archaea, Bakterien und Eukaryoten. Eukaryoten sind alle Vielzeller wie Tiere, Pilze, Pflanzen und die Protozoen. Sie sind gemeinsam charakterisiert durch ihre großen, hoch entwickelten Zellen, deren Energiehaushalt durchweg auf mitochondrialen ATP-Synthasen beruht und bei denen die DNA in eine Kernmembran eingebettet ist. Bakterien und Archaeen sind anscheinend ihre Vorfahren,[16] und es wurden 3,8 Milliarden Jahre alte fossile Spuren der Lipide von Archaeen gefunden.[17] Die Evolution der Eukaryoten war vermutlich erst vor 1,6 bis 2,1 Milliarden Jahren abgeschlossen.[18] Für diese Evolution aus prokaryotischen Archaeen[1][19][20] ist Lokiarchaeum anscheinend ein Missing Link. Dessen letzter gemeinsame Vorfahr mit den Eukaryoten hatte vor ca. zwei Milliarden Jahren vermutlich die Gene entwickelt, die unabdingbar für das Entstehen der komplexen eukaryotischen Zellstrukturen waren[21] und dafür wie ein „Starter-Kit“ wirkten.[5]
Die Lokiarchaeota werden selber in die 2014 von Céline Petitjean und Kollegen beschriebene Abteilung Proteoarchaeota gestellt.[22] Sie bilden zusammen mit ihren später gefundenen Schwestergruppen "Thorarchaeota", "Odinarchaeota" und "Heimdallarchaeota" die Untergruppe "Asgard" der Proteoarchaeota. "Asgard" erscheint dann selbst als Schwestergruppe von "TACK".[23] Entsprechend kladistischer Argumentation wären dann die Eukaryota (und damit der Mensch) ebenfalls der Asgard-Gruppe zugehörig.
Eine Zusammenfassung dieser Diskussion findet sich bei Traci Watson (2019).[24]
Nach 12 Jahren Forschungsarbeit berichten Mikrobiologen 2019 erfolgreich ein, sich nur sehr langsam vermehrendes, Lokiarchaeota aus Tiefseeschlamm isoliert und kultiviert zu haben. Das Prometheoarchaeum syntrophicum Strang MK-D1 hat lange „Tentakel“, in denen Partnermikroben nisten, welche ihm womöglich als „Protomitochondrien“ verbesserte Überlebenschancen bei steigendem Sauerstoff während der Großen Sauerstoffkatastrophe ermöglichen konnten und von den Tentakeln – als Vorfahren der Mitochondrien – umschlossen und endogenisiert wurden. Laut ihrem E3-Modell fand so die Eukaryogenese statt.[25][26][3]
Die Lokiarchaeota (deutsch: Lokiarchaeen) sind eine systematische Gruppe von Mikroorganismen im taxonomischen Rang eines Stammes, die der Domäne der Archaeen zugeordnet wird. Die Errichtung des Taxons im Jahr 2015 fußte vor allem auf molekulargenetischen Daten.
Obgleich die Lokiarchaeen Prokaryoten sind, finden sich in ihnen einige Gene, welche bislang nur bei Tieren, Pflanzen, Pilzen und anderen Eukaryoten gefunden wurden, sogenannte eukaryotische Signaturgene. Die Lokiarchaeen werden daher auch als eine Art Missing Link zwischen Archaeen und Eukaryoten diskutiert. Es sind jedoch weitere Untersuchungen nötig, um die Missing-Link-Hypothese zu festigen, beispielsweise der Nachweis eines dynamischen Zytoskeletts unter dem Mikroskop.
Das organische Material, in dem die spezielle genetische Signatur der Lokiarcheen identifiziert wurde, stammt aus Proben von marinen Sedimenten, die in einem Geothermalgebiet in der arktischen Tiefsee zwischen Nordwesteuropa und Grönland entnommen wurden. Dieses Geothermalgebiet wurde wegen der bizarren Formen der Schlote seiner Schwarzen Raucher von seinen Entdeckern „Lokis Schloss“ (englisch Loki’s Castle) genannt. Der Name „Lokiarchaeota“ nimmt zudem darauf Bezug, dass die Lokiarchaeen ihre Zellform ändern können und der nordische Gott Loki, der Sage nach, ein Formwandler war.