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Wulstlinge ( German )

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Darstellung des Lebenszyklus

Die Wulstlinge (Amanita) sind eine große Pilzgattung aus der Familie der Wulstlingsverwandten (Amanitaceae). Dazu zählen auch die Artengruppen, die auf Deutsch als Kaiserlinge, Knollenblätterpilze und Scheidenstreiflinge bezeichnet werden. In Europa kommen rund 100 Arten, Varietäten und Formen vor bzw. sind dort zu erwarten. Einige Spezies wie der Perlpilz und der Orangegelbe Scheidenstreifling gelten als gute Speisepilze. Etliche Arten sind dagegen giftig, darunter der Grüne Knollenblätterpilz, der Pantherpilz und der Fliegenpilz. Letzterer Pilz ist die Typusart der Gattung.

Etymologie

Die Herkunft des Wortes Amanita ist nicht eindeutig geklärt. Helmut Genaust vermutet eine Ableitung von griechisch Amanos, dem Küstengebirge am Golf von İskenderun, als Bezeichnung nach der Herkunft.[1]

Merkmale

Die Arten der Gattung Amanita sind in der Regel mittelgroße, (meist) zentral gestielte Blätterpilze mit freien oder fast freien, meist weißen, seltener gelblichen bis gelben, gedrängt stehenden Lamellen. Hut und Stiel sind meist leicht voneinander trennbar. Der Hutrand ist nicht eingerollt, er kann gerieft oder nicht gerieft sein.

Die Wulstlinge besitzen ein Velum universale, das an den reifen Fruchtkörpern als Volva (Scheide) oder Hutschuppen nachweisbar ist. Die Hutschuppen sind nicht radial orientiert, sondern erscheinen zufällig verteilt. Das Velum partiale bleibt bei reifen Fruchtkörpern als häutiger, geriefter oder glatter Ring (Manschette) zurück. Es fehlt in der Gruppe Amanitopsis (Streiflinge oder Scheidenstreiflinge), dann entspringt der Stiel einer deutlichen häutigen Volva, oder es sind flockige Reste der Volva vorhanden. Der Stiel kann zylindrisch ausgebildet, keulenartig oder knollig verdickt sein oder einer häutigen Scheide entspringen. Viele Arten der Gattung haben leuchtend gefärbte Hüte, es kommen aber auch weiße und bräunliche Formen vor.

Die Trama der Lamellen ist bilateral. Das Sporenpulver ist weiß, selten grünlich; die Sporen sind breitellipsoid bis kugelig, glatt, farblos und besitzen keinen Keimporus. Sie können amyloid (mit Iod-Reagenzien anfärbbar) oder inamyloid sein. Der Geruch ist meist unauffällig, kann aber auch süßlich-honigartig oder dumpf wie Kartoffelkeime sein. Geschmacksproben verbieten sich bei dieser Gattung, da einige sehr stark giftige Arten bereits in sehr geringen Mengen zu gesundheitlichen Schäden führen können.

Ökologie

Die Arten der Gattung Amanita sind bodenbewohnende Ektomykorrhiza-Bildner mit diversen Laub- und Nadelbäumen oder auch Zwergsträuchern. Sie bewohnen entsprechend Lebensräume, in denen die Mykorrhiza-Partner der jeweiligen Arten vorhanden sind.

Verbreitung

Die Gattung ist weltweit verbreitet, einzelne Arten wurden mit ihren vergesellschafteten Baumarten verschleppt. Das Artenspektrum kann sich bereits innerhalb Europas stark unterscheiden (Mittelmeerraum, Osteuropa). Dies führt teils zu gefährlichen Verwechslungen durch gebietsfremde Speisepilzsammler, weil in der Gattung sehr giftige Arten und beliebte Speisepilze vorkommen.

Arten

In Europa kommen folgende Arten vor bzw. sind dort zu erwarten.[2]

Systematik

Die Gattung umfasst etwa 500 Arten, die Abgrenzung der einzelnen Arten zueinander und die Aufteilung der Gattung in Untergattungen und Sektionen wird in der Literatur unterschiedlich dargestellt, entsprechend schwankt auch die angegebene Artenzahl. Die Stellung der Streiflinge (ringlose Arten) wird unterschiedlich gehandhabt, während sie manchmal in die eigene Gattung Amanitopsis gestellt wurden, werden sie in moderner Literatur als Sektion Vaginatae der Untergattung Amanita betrachtet.

Unterschieden werden meist folgende Untergattungen:

Untergattung Amanita

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Fliegenpilz
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Rotbrauner Scheidenstreifling
Amanita fulva

Arten mit nicht amyloiden Sporen und meist gerieftem oder geripptem Hutrand.

Diese Untergattung wird unterteilt in die Sektionen:

Sektion Amanita (Wulstlinge): mit Ring, dieser kann bei einzelnen Arten allerdings flüchtig sein, und knolliger, manchmal sogar mit deutlich gerandeter knolliger Stielbasis ohne eigentliche Volva. An der Stielbasis kommen warzige oder flockige abwischbare Velumreste vor, die in gleicher Weise auch auf dem Hut gefunden werden. Diese lassen sich zwischen den Fingern pulverig zerreiben. Zu dieser Form der Verteilung kommt es, weil das Velum universale ringsum aufreißt. In diese Sektion gehören u. a.:

Sektion Caesareae (Kaiserlinge): mit gerieftem Hutrand, einem in Form einer Volva aufreißendem Velum universale und einem Ring, damit steht diese Sektion zwischen der Sektionen Vaginate (Streiflinge) und Amanita (Wulstlinge). Typischer Vertreter ist der

Sektion Vaginatae (Scheidenstreiflinge): stets mit gerieftem Hutrand und einem zylindrischen Stiel, der in einer derb-ledrigen oder pulverigen, vergänglichen Volva steckt. Ein Velum partiale und damit ein Ring ist nicht vorhanden, der manchmal verwendete Trivialnamen Scheidenstreiflinge weist auf die beiden kennzeichnenden Merkmale hin. Velumreste können auf dem Hut zurückbleiben. In diese Sektion gehören u. a.:

Untergattung Lepidella

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Fransiger Wulstling
Amanita strobiliformis
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Eier-Wulstling
Amanita ovoidea
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Perlpilz
Amanita rubescens

Diese Untergattung ist gekennzeichnet durch amyloide (mit Jodreagenz anfärbbare) Sporen, einen meist nicht gerieften Hutrand, einen Ring am Stiel sowie flockige, warzige oder schollenförmige Reste des Velum universale auf dem Hut.

Diese Untergattung wird in bis zu 4 Sektionen unterteilt:

Sektion Lepidella: gilt als die wahrscheinlich ursprünglichste Gruppe der Gattung. Die Arten der Gattung haben einen jung immer stark mit Velumfetzen behangenen Hutrand. Das sehr flüchtige und auf der Huthaut abwischbare Velum enthält viele Spaerocyten und nur wenig fadenförmige Hyphen, es lässt sich zwischen den Fingern zu einem sehr feinen Pulver zerreiben. Auch der Ring dieser Arten ist sehr flüchtig, die Stielbasis ist wulstig, knollig oder zwiebelartig wurzelnd, eine Volva ist nicht vorhanden. Die Arten dieser Sektion sind meist mehr oder weniger hell gefärbt. In diese Sektion gehören u. a.:

Sektion Amidella: mit ebenfalls behangenem Hutrand, jedoch wesentlich dauerhafterem, da aus miteinander verflochten Hyphen bestehendem Velum. Die Stielbasis steckt in einer derben, dauerhaften Volva, der Stiel ist meist zylindrisch und nicht knollig. Die Lamellen und das Velum einiger Arten dieser Sektion bräunen oder schwärzen beim Trocknen oder Liegen. Von dieser Sektion kommen in Mitteleuropa nur wenige Vertreter vor:

Sektion Phalloidae (Knollenblätterpilze): diese Sektion, die die giftigsten Vertreter der Gattung enthält, ist gekennzeichnet durch eine stabile, sackartige und dauerhafte Volva, in welcher der zylindrische Stiel mit einer Knolle steckt. Reste des Velums fehlen meist auf der Hutoberfläche. Wenn sie vorhanden sind, sind sie dick, schollenförmig und vereinzelt. Wichtige Arten dieser Sektion sind:

Sektion Validea: Zu dieser Sektion gehören Arten einer meist deutlich gerandeten, knolligen Stielbasis bei denen das Velum universale auf dem Hut und an der Stielbasis feine bis grobe, regelmäßige oder unregelmäßige mit den Finger zu Krümeln oder Pulver zerreibbare Schollen, Warzen oder Flocken aufweist. Die Hutfarbe kann weiß, rosa, gelb, ocker oder braun sein. Eine Volva fehlt meist.

Bedeutung

Die Arten der Gattung Amanita besitzen eine große ökologische Bedeutung als Mykorrhiza-Partner diverser Baumarten. In Mitteleuropa sind unter anderem Fichte, Birke, Eiche und Buche mit Arten dieser Gattung vergesellschaftet. Einige Amanita-Arten wie der in Deutschland geschützte Kaiserling und der Perlpilz sind beliebte Speisepilze. Zur Gattung gehören mit den Knollenblätterpilzen einige sehr gefährliche, potentiell tödliche Giftpilze.

Gifte

Die giftigen Arten der Gattung enthalten verschiedene Gifte.

Die Knollenblätterpilz-Arten enthalten vor allem toxisch wirkende, zyklische Peptide mit sieben oder acht Aminosäuren.

  • Phalloidin als Hauptvertreter der Phallotoxine wirkt durch die Inhibition der Depolymerisation zellularer Actin-Filamente, was die Zellmotilität und die Funktionen des Cytoskeletts behindert. Beim Grünen Knollenblätterpilz enthält frisches Material etwa 20 bis 60 Milligramm Phallotoxine pro 100 Gramm Pilzmasse.
  • Virotaxine sind aus sieben Aminosäuren bestehende, zyklische, toxische Peptide, die im Kegelhütigen Knollenblätterpilz vorkommen, in ihrer Wirkung ähneln sie dem Phalloidin.
  • Amanitine (Amatoxine) wirken im Zellkern und hemmen dort die Wirkung der RNA-Polymerase II, einem Enzym, das zur Transkription benötigt wird, so dass die Zelle abstirbt. Diese Substanzen verursachen die lebertoxische Wirkung des Grünen Knollenblätterpilzes. Für einen erwachsenen Menschen gelten etwa 0,1 mg/kg Körpergewicht als tödlich, diese Menge ist in etwa 5 bis 50 Gramm frischem Material des Grünen Knollenblätterpilzes enthalten. Diese Substanzen sind hauptsächlich für die Giftwirkung der Knollenblätterpilze verantwortlich.

Die Knollenblätterpilze verursachen das Phalloides-Syndrom, das mit einer Latenzzeit von etwa 8 bis 12 Stunden (seltener 2 bis 7 oder bis 36 Stunden) nach Pilzgenuss mit Brechdurchfällen beginnt. Nach etwa 24 Stunden stellt sich häufig eine Beruhigung ein, die jedoch nur bei leichten Vergiftungen ein Zeichen der Genesung ist, in schwereren Fällen kommt es zu Leberschäden, die nach 4 bis 16 (meist 8) Tagen zum Tod führen können.

Der Fliegenpilz, Pantherpilz und der Narzissengelbe Wulstling enthalten vor allem Ibotensäure und Muscimol (Pantherin), die das Pantherina- oder Fliegenpilz-Syndrom verursachen. Hier kommt es nach einer Latenzzeit von 15 Minuten bis 2(4) Stunden zu Schläfrigkeit, Rauschzuständen, Schwindelgefühl, Erregung und Halluzinationen, daneben können anticholinergische und cholinergische Symptome auftreten. Leichtere Vergiftungen klingen bald ab, tödliche Vergiftungen sind selten. Es scheint beim Narzissengelben Wulstling Rassen oder Formen mit unterschiedlichen Giftgehalten zu geben, in manchen Gegenden wird er als Speisepilz gesammelt. Der Muscarin-Gehalt des Fliegenpilzes ist unbedeutend.

Der Gelbe Knollenblätterpilz enthält Bufotenin, welches beim Kochen zerstört wird, und ist damit nur roh schwach giftig. Er kommt aber durch sein unangenehmes Aroma und die Verwechslungsgefahr mit giftigen Arten nicht als Speisepilz in Frage.

Quellen

Literatur

  • Rita Lüder: Grundkurs Pilzbestimmung. Quelle & Meyer, Wibelsheim 2007, ISBN 3-494-01341-1.
  • Marcel Bon: Pareys Buch der Pilze: über 1500 Pilze Europas. Aus dem Englischen von Till R. Lohmeyer. Paul Parey, Hamburg/Berlin 1988, ISBN 3-490-19818-2.
  • René Flammer, Egon Horak: Giftpilze – Pilzgifte. Schwabe, Basel 2003, ISBN 3-7965-2008-1.
  • Egon Horak, Meinhard Moser: Röhrlinge und Blätterpilze in Europa. 6. völlig neu bearbeitete Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2005, ISBN 3-8274-1478-4.
  • Achim Bollmann, Andreas Gminder, Peter Reil: Abbildungsverzeichnis europäischer Großpilze. 4. Auflage, mit Gattungs-CD. Schwarzwälder Pilzlehrschau, Hornberg 2007, .
  • Heinrich Dörfelt, Gottfried Jetschke (Hrsg.): Wörterbuch der Mycologie. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin 2001, ISBN 3-8274-0920-9.
  • Karin Montag: Von Schollen, Tupfen und Fransen. Der Tintling, Heft 2/2007, , S. 4.
  • Josef Breitenbach, Fred Kränzlin (Hrsg.): Pilze der Schweiz. Beitrag zur Kenntnis der Pilzflora der Schweiz. Band 4: Blätterpilze. Teil 2: Entolomataceae, Pluteaceae, Amanitaceae, Agaricaceae, Coprinaceae, Bolbitiaceae, Strophariaceae. Mykologia, Luzern 1995, ISBN 3-85604-040-4.
  • Theodor Wieland: Amatoxine, Phallotoxine – die Gifte des Knollenblätterpilzes. Chemie in unserer Zeit, 13. Jahrg. 1979, , Nr. 2, S. 56–63.

Einzelnachweise

  1. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 1996, ISBN 3-7643-2390-6, S. 54.
  2. Eric Strittmatter: Die Gattung Amanita. In: fungiworld.com. Pilz-Taxa-Datenbank. 11. Juli 2008, abgerufen am 3. August 2012.

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